Ballettfreunde zu Besuch beim Leipziger Ballett

Ballettreise nach Leipzig

Freitag 11. April
Durch den morgendlich quirligen Düsseldorfer HBF zum vereinbarten Treffpunkt. Eva und Oliver warten dort schon fröhlich und wohlorganisiert. Die Teilnehmer der Reisegruppe trudeln nach und nach ein. Jeder bekommt sein „Tütchen“ mit Reiseunterlagen und einem Bachkeks zum Anbeißen überreicht und ab geht´s zum Zug. Wohlgeordnet wird eingestiegen und jeder findet sein reserviertes Plätzchen. Fröhliches Geplapper, müde geschlossene Äuglein, zweites Frühstück oder auch nicht. So geht’s kurzweilig bis Frankfurt. Verwirrende Ansage, fährt er jetzt zum HBF oder doch nicht. Er fährt. Rasch rüber zu Gleis 9. Ansage: nein heute Gleis 8 gegenüber. Da kommt der Zug schon, aber wo ist unser Wagen? Einige steigen ein, doch halt, schnell wieder raus, das ist der Zug nach Hamburg. Dann ist er endlich da, der Richtige und wird gestürmt, da ein Zug ausgefallen ist. Es schiebt sich durch die Gänge vor und zurück, aber irgendwann hat jeder seinen Platz und es geht nach Leipzig HBF.

Das Hotel Victor’s Residenz ist gut gewählt. Es liegt gleich gegenüber dem HBF. Gepäck abstellen; jeder bekommt seine Essensbild-Kärtchen, damit die Bedienung oder vielleicht auch man selbst weiß, was serviert werden soll. Köstliches Mittagessen wird von freundlich lächelndem Personal im hellen Restaurant serviert.

Auf zu den Zimmern. Kurze Irritation bei den Aufzugtüren. Nimmt man den linken oder den rechten Aufzug? Wer sich vertut, landet im falschen Gebäudetrakt. Gepäck abgelegt und schon geht’s zur Stadtrundfahrt mit dem Bus.

Der Reiseführer ist ein wandelndes Leipzig-Lexikon. Kurzweilig und interessant kommentiert er die Highlights: Leipzig die Musikstadt, die Stadt der Superlativen, mehr Brücken als Venedig, über 200 km Wasserstraßen, die größte Ansammlung von Gründerzeitvillen, der größte Kopfbahnhof. Vor dem 2. Weltkrieg mit Paris und Moskau der größte Pelzhandelsplatz.
Kurzer Blick aus dem Bus zum Völkerschlachtdenkmal. Das größte Denkmal Deutschlands, martialisch düster, 1913 fertiggestellt, 100 Jahre nach der Schlacht bei Leipzig.
Das Neue Rathaus ist auch heute noch weltweit der größte Profanbau aus dieser Zeit. Die Mustermesse als Vorläufer der heutigen Messen und und und …. uns schwirrt der Kopf vor lauter Details und Jahreszahlen.
Nach der Rundfahrt geht’s weiter mit einem Stadtrundgang.
Das Alte Rathaus gilt als einer der bedeutendsten deutschen Profanbauten der Renaissance. Alte Börse mit Goethedenkmal. Hier studierte er einige Jahre Jurisprudenz, vor allem aber die Kneipen und die Weiblichkeit. Dass er in seinem Faust Leipzig positiv erwähnte, war den Leipzigern ein Denkmal wert.
Mädler, der Reisegepäckausstatter für die vornehme Gesellschaft, ließ die Mädlerpassage errichten und nahm sich dafür die Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand zum Vorbild. Na ja, ein wenig kleiner ist‘s dann geworden, aber auch prächtig. „Auerbachs Keller“, errichtet bereits 1525, ließ er klugerweise erhalten. Seine weltweite Bekanntheit verdankt das Traditionslokal vor allem Johann Wolfgang von Goethe durch die gleichnamige Szene in seinem Faust. Auch Martin Luther und Robert Schumann waren hier zu Gast, allerdings nicht zur gleichen Zeit.

Dann wird‘s besinnlich, Motetten in der Thomaskirche, um gleich danach im „Ratskeller“ des Neuen Rathauses wieder weltlich fröhlich zu werden. Schönes Ambiente, Essen und Trinken reichlich und bald ist der für die Ballettfreunde reservierte Gewölberaum mit anregenden Gespräche akustisch gefüllt.

Überraschungsbesuch von der Oper Leipzig: Ballettdirektor Rémy Fichet kommt zusammen mit Choreograf Martin Chaix dazu und werden gebührend empfangen. Auch unser früheres Compagniemitglied Alexandre Simões setzt sich kurz zu uns. Dem Geburtstagskind Rémy Fichet wird zu seinem 45. natürlich ein fröhliches Lied gesungen.

Auch unterhaltsame Stunden gehen einmal zu Ende. Spaziergang durch die nächtliche Stadt zum Hotel und nach einem anstrengenden Tag endlich: gute Nacht.

Samstag 12. April
Freundlich und kühl meint‘s das Wetter heute. Der Frühstücksraum füllt sich langsam mit mehr oder weniger ausgeschlafenen Menschen.

Um 09:15 kurzer Spaziergang durch die erquickende Morgenluft zum Opernhaus. Die Oper Leipzig ist ein Drei-Sparten-Theater, bestehend aus der Oper, dem Leipziger Ballett und der Musikalischen Komödie (Operette und Musical). Das große Haus wird vom weltberühmten Orchester des benachbarten Gewandhauses bespielt.

Ballettdirektor Rémy Fichet und Verwaltungsleiter Thomas Hörath führen uns durch das Labyrinth der aus zwei Bauten bestehenden Oper.

Das Bühnenhaus und der Zuschauerraum sind getrennt. Der eiserne Vorhang verschließt im Falle eines Brandes das Bühnenhaus samt Orchestergraben. Schwarzhumoristische Anmerkung bei der Führung: es verbrennen also nur die Zuschauer. Ha ha ha.

Besichtigung der großen Bühne mit Hinter- und Seitenbühnen (Vorsicht: überall liegen Kabel!)

Dann erhalten die Ballettfreunde eine exklusive Einführung in das heute zur Premiere anstehende Ballett.

Ballettdirektor Rémy Fichet, Dramaturgin Anna Diepold, Choreograf Martin Chaix und Verwaltungsleiter Thomas Hörath führen uns ein in die traurige Geschichte der Mondprinzessin, einem alten japanischen Märchen.

Danach verteilt sich die Gruppe der Ballettfreunde schnell in die Leipziger Innenstadt und jeder geht seinen eigenen Interessen nach.

Um 17:30 Uhr steht dann für die angemessen aufgehübschten Damen und Herren im Operncafé das Abendessen bereit. Fleisch oder fleischlos je nach Gusto.
Dann mit spannender Erwartung in die Oper. Wie wird die ans Herz gehende Geschichte der Mondprinzessin tänzerisch erzählt werden? Wunderbare Plätze. Bühnenbild: ein von Kirschblüten umrankter, leuchtender Mond. Licht aus, Musik an. Die Erste Kapellmeisterin Yura Yang führt das Gewandhausorchester einfühlsam durch den Abend. Die Choreografie von Martin Chaix ist herzergreifend tänzerisch umgesetzt, berührend schön. Vorhang. Ein Ballettabend der sicher noch lange nachklingt.

Wer sich für den Inhalt des Stücks interessiert, findet hier eine ausführliche Beschreibung:
oper-leipzig.de/de/programm/die-mondprinzessin/737

Etwas still, von der tänzerisch und musikalisch wunderbar erzählten Geschichte eingenommen, dürfen wir am Premierenempfang teilnehmen. Ein Glas Sekt bringt uns wieder auf den fröhlichen Teppich und regt an, die Gedanken und Bilder des Ballettabends auszutauschen. Und wieder eine Überraschung: wir sehen etliche ehemalige Mitglieder der Düsseldorfer Compagnie. Eleonor Freeman, Brice Asnar und Friedrich Pohl sind zur Premiere angereist und natürlich unsere Ballettmeisterin Mariana Dias-Chaix mit den beiden Söhnen.
Ansprache von Rémy Fichet und Intendant Tobias Wolff. Sie holen alle Beteiligten lobend auf die Bühne. Gruppenfoto:

Und dann sind auch Tänzerinnen und Tänzer frei, miteinander zu feiern. Und wir feiern mit, uns in wechselnden Gruppierungen unterhaltend.

Oliver Königsfeld (links im Bild) mit Tänzerin Madoka Ishikawa

Danach brav ins Hotel, wo die Bar etwas seltsam Anziehendes an sich hat. Also noch auf ein Glas und einen Plausch.

Und dann wieder: gute Nacht.

Sonntag 13. April
Gemischt trübsonnig und kühl kommt der Morgen daher. Wir schlendern durch die noch schlafende Innenstadt zum Neuen Rathaus, werden dort von einem Leipzigkenner empfangen und mit Anekdoten gewürzt in die Geheimnisse der Pleissenburg und der Geschichte des Neuen Rathauses eingeweiht. Ein trutziger, martialisch anmutender Bau riesigen Ausmaßes im Stil des Historismus. Und heute noch der größte Profanbau aus dieser Zeit weltweit.
Die alte Pleissenburg wurde dem geldklammen König 1895 für 5 Mio. Goldtaler abgekauft, abgerissen und das neue Rathaus wurde erbaut und 1905 eröffnet. Nur der alte Turm blieb erhalten und mit einem neuen Oberteil versehen. Mit 114,7 m ist er der höchste Rathausturm der Welt.

Innen ein Irrgarten von insgesamt 1.708 Räumen, mit Prachtsaal für Empfänge und einem nüchternen Ratssaal zum Arbeiten. Die Arbeitsgeschwindigkeit zeigt eine bronzene Schnecke auf dem Türgriff am Eingangsportal. Die Kasematten der alten Pleissenburg sind heute ein beliebter Trauungsort für Paare, die Düsteres lieben.
Mutige Ballettfreunde steigen die 286 Stufen zum Aussichtsbalkon des Turmes hoch.
Kurze Verabschiedung in den restlichen Tag. Empfohlen: Zeitgeschichtliches Forum. Es thematisiert die Geschichte der deutschen Teilung, des Alltagslebens in der DDR und des Wiedervereinigungsprozesses. Wir wandern über zwei Stunden durch diese gut gemachte Zeitgeschichte, der lahme Rücken und die müden Füße haben sich gelohnt und ein Mittagessen verdient. Der Rest des Tages steht zur freien Verfügung.
Wir streben durch das Barfußgässchen zum Paulaner. Sorry, Schweinebraten bayrisch und bayrisches Bier, alte Heimat halt. Mit der Tram zum Gohliser Schlösschen, einem Juwel der Barockzeit. Im kleinen Garten, Springbrunnen, Orangen-, Zitronen- und Feigenbäumchen, leise Gitarrenklänge, ein Barockparadies der Ruhe und Erholung. Im Hotel dann Ratsch und Tratsch mit Ballettfreunden bei einem Glas in der Bar. Und erneut: gute Nacht.

Montag, 14. April
Kulinarisch-kommunikatives Frühstück, Sachen zusammenkramen und schauen, dass sie wieder in den Koffer passen (wundersamerweise klappt das nie). Im Schwarm zum Bahnhof; jeder platziert sich routiniert im Zug und ratschend, lesend geht’s flott nach Frankfurt HBF. Kurze Irritation, nein nach Frankfurt Fernbahnhof, auch gut. Halt Deutsche Bundesbahn. Man kommt an, aber weiß nicht wann und wo. Zeit für einen kleinen Imbiss. Runter zum Gleis, verabschieden, denn in Düsseldorf verteilt es sich ganz schnell. Jeder strebt nach Hause.
Schön war’s. Ein harmonisches Miteinander und ein großartiges Programm. Vielen herzlichen Dank an Eva und Oliver. Idee, Planung und Durchführung waren perfekt. Auf jeden Fall freuen wir uns jetzt schon auf das nächste Mal und jetzt: frohe Ostern.

Text und Fotos: Eva und Rudolf Pospischil, Fotos: Renate Weber Zangrandi