Bridget Breiner stammt aus Columbus/Ohio in den USA, wo sie ihre Ballettausbildung begann. Bereits mit 17 Jahren kam sie nach Deutschland, wurde in München weiter tänzerisch ausgebildet, tanzte beim Bayerischen Staatsballett, später im Stuttgarter Ballett und an der Semperoper Dresden als Solistin. Von 2012 bis 2019 leitete sie das Ballett des Musiktheaters im Revier und anschließend das Ballett des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe.
Raphaël Coumes-Marquet wurde in Besançon geboren und an der École de Danse de l’Opéra de Paris ausgebildet. Er tanzte als Solist im Monte-Carlo Ballett, dem Ballett der Wiener Staatsoper, beim Het Nationale Ballet Amsterdam und beim Semperoper Ballett in Dresden. Von 2015 bis 2019 arbeitete er dort als Ballettmeister. Seit 2019 gehört Raphaël Coumes-Marquet zum festen Team des britischen Choreografen David Dawson und studiert überall auf der Welt dessen Kreationen ein.
Bridget Breiner wird sich als Chefchoreographin mehr um den künstlerischen Inhalt der kommenden Spielzeiten kümmern, während Raphaël Coumes-Marquet’s Aufgabe mehr das Management der internationalen Compagnie und die Entwicklung neuer Formate sein wird.
Bridget Breiner:
„Ich freue mich vor allem auf den täglichen Austausch und die intensive tänzerische Arbeit im Studio. Die Fokussierung auf den künstlerischen Teil der Ballettleitung eröffnet mir viel Zeit und Raum für Kreativität und gegenseitige Inspiration.“
Raphaël Coumes-Marquet:
„Mein Fokus richtet sich auf die Tänzerinnen und Tänzer. Ihnen ideale Bedingungen für ihr Training und die Probenarbeit zu geben, sehen wir als die unverzichtbare Basis für den Aus- und Aufbau einer starken Compagnie und eines vielfältigen Repertoires. Ich habe viele genreübergreifende Projekte entwickelt. Damit möchte ich hier unbedingt weitermachen, denn mit neuen Formaten erreicht man immer auch neues Publikum.“
Am 18. und 19. April 2024 stellte sich das neue Leitungsteam in Düsseldorf und Duisburg nicht nur dem Aufsichtsrat, der Compagnie und der Presse, sondern – ganz exklusiv – auch den Ballettfreunden in einer bestens besuchten Veranstaltung im Balletthaus vor.
Auch wenn Bridget und Raphaël von dem zweitägigen Vorstellungmarathon ermüdet waren, war das Treffen mit den Ballettfreunden für sie ein „Freundschaftsspiel“. Der Sympathiefunke sprang gleich über. Die offene und herzliche Art der beiden ließ vielleicht vorhandene Befürchtungen und Bedenken gegenüber den „Neuen“ sofort verschwinden. Es entstand vielmehr eine große, positive Neugier auf das, was in der kommenden Spielzeit zu sehen sein wird.
Julia Schinke, die auch im neuen Team als Dramaturgin arbeiten wird, leitete das Gespräch und ihre Fragen, brachten uns die Persönlichkeiten von Bridget und Raphaël näher.
Raphaël schilderte, dass er aus einer sehr musikalischen Familie stammt und Musik für seine Entwicklung sehr wichtig war. Mit sechs Jahren habe er zum ersten Mal ein Ballettstudio besucht. Er sei sofort vor den Spiegel gelaufen und habe sich wild bewegt. Er sei sofort eins geworden mit der Musik. Die Mädels dagegen hätten verschüchtert im Hintergrund gestanden und geheult.
Man kann sich diese Szene sehr plastisch vorstellen und heute werden sicher eine Reihe der Mädels (inzwischen erwachsene Frauen) damit prahlen, dass sie mit Raphaël in die gleiche Ballettschule gegangen sind.
Seine tänzerische Ausbildung erhielt Raphaël an der renommierten Ballettschule der Oper in Paris.
Auch Bridget stammt aus einer Familie, in der die Musik eine große Rolle spielte. Die musikalische Prägung war sehr breit gefächert, was man auch den Musiken anmerkt, die sie für ihre Choreographien einsetzt. Vom klassischen „Nussknacker“ bis zum Musical „Annie get your gun“ und den Filmen des steppenden Kinderstars Shirley Temple reicht die Palette ihrer musikalischen Sozialisation. Wichtig war für sie nur, sich in die Rolle des Stars versetzen zu können:
„Ich habe alle Songs von „Annie“ auswendig gelernt und wenn wir zum Shoppen gefahren sind, habe ich immer das Autofenster heruntergedreht und laut gesungen in der Hoffnung, dass ein Produzent vorbeifährt. Aber das hat nicht geklappt. Und so bin ich beim Ballett gelandet.“
Als Kind sei sie von Prinzessinnen und Feen begeistert gewesen. Deren Schönheit habe sie fasziniert und diese Schönheit habe sie im Ballett gefunden.
„Mit der Zeit habe ich gemerkt, was ich am Ballett liebe, dass es eine ganz exakte Form ist. Sie muss nicht perfekt ausgeführt sein. Das ist zwar das Ziel, aber es muss nicht hundertprozentig sein. Man muss den Regeln folgen. Innerhalb dieser Regeln gibt es eine wahnsinnige Freiheit, wenn man die Regeln einmal beherrscht. Dass ist das, was mich jetzt die letzten 30 Jahre daran fasziniert.“
Auch Raphaël sieht die Kunst des Balletts ähnlich:
„Erst kommt die Beherrschung der Technik. Und Schritt für Schritt wird sie Teil des Körpers. Danach kommt dann die Freiheit: Wir können mit unseren Körpern spielen und Gefühle expressiv ausdrücken. Für mich ist diese physische Erfahrung wichtig.“
Die Frage nach dem ersten gemeinsamen Treffen von Bridget und Raphaël und ihrer ersten Begegnung als Tanzpartner offenbart den professionellem Respekt voreinander. 2006 waren sie als Solisten an die Semperoper in Dresden verpflichtet worden. Beide waren erfahrene und bekannte Künstler und hatten natürlich voneinander gehört. Geprobt wurde eine Kreation des britischen Choreographen David Dawson „Die Verschwundene“.
Raphaël schildert seine ersten Gefühle so:
„Mit Bridget Breiner tanzen zu können, war für mich ein sehr spezieller Moment. Ich hatte von ihren Aufführungen in Stuttgart gehört und war beeindruckt. Das war wirklich so: Oh cool, ich werde mit Bridget arbeiten und tanzen.“
Der Respekt vor dem Können des Gegenübers bestand auch auf Seiten von Bridget:
„Es ist interessant, wie Raphaël das geschildert hat. Ich hatte in Stuttgart so viel gearbeitet, dass mein Fuß verletzt war, als ich in Dresden ankam. Ich habe nur gedacht: Oh mein Gott, Raphaël ist die Muse von David Dawson. Jetzt muss ich mit ihm proben, kann aber wegen der Verletzung kaum tanzen.“
Das erste Treffen führte nicht nur zu einer erfolgreichen Aufführung von „Das Verschwundene“, sondern auch zu einer über viele Jahre dauernden kreativen Zusammenarbeit, die nun in ein gleichberechtigtes Direktionsteam in Düsseldorf münden wird.
Die Spielzeit 2024/2025 wird mit der Wiederaufnahme von Demis Volpi‘s „Krabat“ am 21. September 2024 in Duisburg eröffnet und wechselt am 18. Dezember 2024 ins Opernhaus Düsseldorf.
Am 19. Oktober 2024 gibt es im Opernhaus Düsseldorf den Auftakt für ein vielfältiges Ballettprogramm. Mit Hans van Manens „Four Schumann Pieces“ und David Dawsons „Empire Noir” zeigt das Ballett am Rhein zwei Choreographien, die in Düsseldorf zum ersten Mal auf die Bühne kommen. Ihre persönliche Signatur setzt Bridget Breiner mit der Neukreation „Biolographie“ an das Ende des Programms.
Die erste Neuproduktion, die im Theater Duisburg gezeigt wird, ist das von Bridget Breiner zwischen Kohlenpott und amerikanischer Bergbautradition angelegte Handlungsballett „Ruß – Eine Geschichte von Aschenputtel“. Premiere in Duisburg ist am 6. Dezember 2024, in Düsseldorf ist es ab 9. Mai 2025 zu erleben.
Der Dreiteiler „Kaleidoskop“ hat am 15. März 2025 im Opernhaus Düsseldorf Premiere.
Mit ihren kraftvollen, zwischen Tanz, Theater und bildender Kunst oszillierenden Kreationen hat sich das Choreograph*innenduo Iratxe Ansa und Igor Bacovich längst einen Namen in der Tanzszene gemacht. Für das Ballett am Rhein steuern sie im Programm „Kaleidoskop“ die Uraufführung „Moto perpetuo“ bei. Die zweite Uraufführung kommt von Mthuthuzeli November. „Invocation“ heißt seine von den Klängen und Rhythmen seiner südafrikanischen Heimat inspirierte Kreation. Den Schlusspunkt des dreiteiligen Programms setzt der vielfach ausgezeichnete Choreograph Jean-Christophe Maillot mit „Vers un Pays Sage“.
Den 150. Geburtstag von Maurice Ravel nehmen Richard Siegal und Bridget Breiner zum Anlass für zwei Neukreationen zu dessen Kompositionen. Während sich Richard Siegal mit Ravels „Bolero“ auseinandersetzt, steht in Bridget Breiners Uraufführung „Daphnis und Chloé“ als Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit Ravel und seiner Musik im Zentrum. Premiere von „Soirée Ravel“ ist am 7. Juni 2025 im Theater Duisburg.
Eine Fortführung des vielseitigen Repertoireausbaus findet sich im Ballettabend „Drei Meister – Drei Werke“. Die Kombination aus George Balanchines „Rubies“, Hans van Manens „Visions Fugitives“ und William Forsythe’s „Enemy in the Figure“ feiert am 18. Januar 2025 im Theater Duisburg (erneut) Premiere und ist ab 24. Januar auch in Düsseldorf zu erleben.
Mit diesem Programm fährt die Compagnie zum Gastspiel nach Bilbao und zwar vom 27. Februar bis zum 2. März 2025.
Zum Ende der ersten Spielzeit unter neuer Leitung lädt das Ballett am Rhein zu einer großen Ballettgala mit internationalen Gästen ein. Gefeiert wird am 25. Juni 2025 im Opernhaus Düsseldorf. Gezeigt wird Ballett in seiner ganzen Ausdrucksvielfalt von (neo-)klassisch bis in die Gegenwart.
Mit der neuen Direktion wird es auch in der Compagnie des Ballett am Rhein einige personelle Veränderungen geben. Ballettmeister Uwe Schröter wird von zwei neuen, aber uns bekannten Ballettmeisterinnen unterstützt. Mariana Dias beendet ihre aktive Karriere als Tänzerin und wird künftig als Ballettmeisterin tätig sein. Aus Karlsruhe kommt Camille Andriot als Ballettmeisterin nach Düsseldorf zurück, wo sie schon seit 2009 unter der Direktion von Martin Schläpfer getanzt hat.
Aus ihrem Ensemble in Karlsruhe bringt Bridget Breiner vier Tänzerinnen und vier Tänzer mit nach Düsseldorf. Raphaël Coumes-Marquet hat sechs weitere neue TänzerInnen für die hiesige Compagnie ausgesucht, die ihm aus anderen Compagnien bekannt sind. Die Ballettfreunde werden also zu Beginn der neuen Spielzeit 14 neue Gesichter kennenlernen.
Die Ballettschule wird von Eva Zamazalová geleitet und als neue Lehrerin wird sie Marlúcia do Amaral an ihrer Seite haben.
Am Ende der Veranstaltung bat Julia Schinke um jeweils eine Lieblingspose.
Raphaël wählte die fünfte Position, weil sie für ihn die perfekte Symmetrie des Körpers darstellt. Die Position sei so „wie der Oscar in Hollywood“.
Bridget sagte, dass sie sich nach dem langen Tag müde und überfordert fühle. Um ihre Gefühlslage wiederzugeben, falle ihr spontan ein amerikanischer Kinderreim ein, den sie leise singend vertanzte:
„I’m a little teapot. Here is my handle. Here is my spout. When I get all steamed up, hear me shout. Tip me over and pour me out.“
Beim anschließenden Treffen mit Getränken und Fingerfood im Foyer des Balletthauses hatten die Ballettfreunde Gelegenheit, sich mit Bridget und Raphaël auszutauschen, die tapfer bis zum Ende des für sie langen und anstrengenden Tages durchhielten.
Text: Axel Weiss, Deutsche Oper am Rhein; Fotos: Daniel Senzek, Renate Weber-Zangrandi, Erich Kutzera