Wir nutzen dafür Technologien, die kosten leider. Das wichtigste aber ist die Verbindung mit Körpern, mit Menschen, also Körpertheater zu Orchestermusik.
‚Prometheus dis.order‘ ist ein Gedanke, der sich über Jahre bei mir entwickelt hat. Der Begriff ‚disorder‘ verstanden nicht nur als Unordnung, sondern als Störung. Hintergrund ist eine bipolare Störung. Das ist diese Krankheit, die Menschen pendeln lässt zwischen brutalen Depressionen und krassen Manien. Und das lässt sich nicht steuern. Das ist mit die zerstörerischste Krankheit, die man sich vorstellen kann. Wenn ich diese Musik von Beethoven höre mit dieser Zerrissenheit, dann wollte ich wissen, ob ich sie tatsächlich als Geschichte einer bipolaren Störung lesen kann.
Für uns ist klar, der Prometheus hat die Geschöpfe, die er erschafft, in seinem Kopf. Dort sind sie nicht eingesperrt und harmlos, sondern im Gegenteil: erst wenn sie im Kopf stattfinden, dann entfaltet es eine Wucht und dann haben wir auch schon ein Setting für die Choreographie. Eine Frau, zwei Männer. Sie können sich vorstellen, wohin die Reise geht. Wir werden Sie also mitnehmen auf eine bipolare Störung. Wie Virginia das konzeptionell choreographisch umgesetzt hat, hat eine große Fallhöhe zwischen Tragik und Komik, zwischen Pathos und kleinsten Bewegungen. Das auf Deckung zu bringen, war die große Herausforderung für die Choreographie.“
Virginia Segarra Vidal hat zu der Musik von Beethovens „Die Geschöpfe des Prometheus“ eine Choreographie geschrieben, die von Marjolaine Laurendeau, Philip Handschin und Michael Foster getanzt wird. Virginia über ihren Ansatz für die Choreographie:
„Ich habe das sehr strukturiert gemacht. Wenn sich Armbewegungen wiederholen, gibt es immer kleine Variationen. Ich habe mich gefragt, was geschieht in der Musik, wie kann ich das mit sehr wenigen Bewegungen umsetzen? Es gibt – auch in der Musik – viel Ordnung, aber dazwischen gibt es viele kleine Momente mit Unordnung, also „Störungen“.
Die Bühne für die Tänzer ist recht klein. Wir sind sehr eingeschränkt mit den Bewegungen. Wir können keine großen Sprünge machen. keine Drehungen, die Tänzer sind barfuß. Daher ist die Choreographie teilweise ziemlich statisch. Aber das hat auch damit zu tun, was hinter den Tänzern mit dem Licht geschieht. Da habe ich bewusst Spiel gelassen, damit ein Dialog entstehen kann.“
Im Programm der Tonhalle heißt es:
„prometheus dis.order“ stellt Beethovens Musik in einen komplett neuen Erfahrungsraum. Für die Inszenierung im kuppelförmigen Saal der Tonhalle entwickeln die Brüder Nick und Clemens Prokop eine Bühnenskulptur, die unterschiedliche Facetten von Licht kombiniert und kontrastiert: Eine Hightech-Kulissenvignette und eine Gazewolke sind Projektionsflächen, die von dynamischen 3D-Effekten bespielt werden.
Eine Tänzerin und zwei Tänzer des Balletts am Rhein verkörpern Prometheus’ gespaltenes, zwischen Menschenliebe, Größenwahn und Destruktion changierendes Wesen. Mit minimalistischen Bewegungen unterbrechen sie die Motorik der kurzen Sätze der Ballettmusik und triggern zugleich die 3D-Effekte, die sich als dynamisch leuchtende Aura um sie legen.
Mit dem Tanz eng verbunden ist eine weitere Schicht der Inszenierung: Zwischen die Sätze werden gesprochene Texte und musikalische Interferenzen interpoliert, die als präzise Sound-Collagen Sinn auch dort erzeugen, wo die Satzfolge in der Partitur dramaturgisch unmotiviert erscheint. So tragen sie dazu bei, die Prometheus-Geschichte zusammen mit Beethoven aktuell und glaubwürdig zu erzählen.“
Clemens Prokop verriet den Ballettfreunden abschließend:
„Lassen Sie sich nicht täuschen: Unser Prometheus ist natürlich eine Frau.“
Text: Axel Weiss, Fotos: Erich Kutzera