Arbeitsprobe zu „Sacre“ von Marcos Morau

Volles Haus im Studio 1

Die Uraufführung von „Le Sacre du Printemps“ fand Ende Mai 1913, also vor fast genau 110 Jahren im Pariser Théatre des Champs-Élysées statt. Zur seinerzeit revolutionär anmutenden Musik von Igor Strawinsky hatte Vaslav Nijinsky die nicht minder moderne Choreographie geschaffen.

Nach Berichten von Zeitzeugen gab es bereits nach den ersten Takten der Eröffnungsmusik im Publikum Gelächter. Der Tumult wurde stärker, als die TänzerInnen mit ekstatischen Stampfbewegungen auftraten. Es sei – so die Berichte – nur der stoischen Ruhe des Dirigenten zu verdanken, dass die Aufführung trotz der anhaltenden Empörung im Publikum in voller Länge zu Ende gebracht werden konnte.

Seither hat es Dutzende von verschiedenen Interpretationen des Stücks gegeben. Es ist heute ein Klassiker der Tanz- und Musikgeschichte.

Für das Ballett am Rhein hat nun der spanische Künstler Marcos Morau eine eigene Fassung des „Le Sacre“ geschaffen. Die Uraufführung findet am 29. April in der Oper statt.

Marcos Morau wird von der Oper am Rhein wie folgt dargestellt:

„Der spanische Choreograph Marcos Morau ist für seine theatralen, bilderstarken Inszenierungen bekannt. Für seine eigene Compagnie „La Veronal“ schafft er mit seinem interdisziplinär arbeitenden Team Stücke, die präzise und detailliert eine in sich geschlossene Welt und alternative Wirklichkeiten portraitieren. Besonders die Einflüsse aus Film und Fotografie sind deutlich spürbar - eine visuelle, absorbierende Ästhetik, die sich einbrennt. Seit einigen Jahren choreographiert er an der Schnittstelle von Tanz, Film und Theater auch für Compagnien wie das Nederlands Dans Theater oder die norwegische Compagnie Carte Blanche. Für das Ballett am Rhein kreiert Marcos Morau zu Igor Strawinskys berühmter Komposition „Le Sacre du printemps“.“

Marcos Morau hat in Barcelona, Valencia und New York Choreographie studiert und machte zusätzlich einen Masterabschluss im Schauspielstudium über die Theorie des Dramas.

Am 12. April konnten die zahlreich erschienenen Ballettfreunde bei einer Arbeitsprobe zugegen sein, in der Marcos Morau mit der Compagnie an einzelnen Szenen arbeitete.

Nach der Arbeitsprobe führte die Dramaturgin Julia Schinke ein Gespräch mit ihm. Nachstehend geben wir einige Zitate daraus wieder.

Warum hat Marcos Morau heute ein Stück aufgegriffen, das über 100 Jahre alt ist und von dem es zahlreiche Variationen gibt?

„Ich denke, es ist wichtig, die Vergangenheit zu ergründen, um die Gegenwart verstehen und die Zukunft überdenken zu können. Ich habe natürlich sehr viele Interpretationen von „Le Sacre“ gesehen, mit und ohne Tanz, und mich mit ihnen auseinandergesetzt. Der Musik von Strawinsky kann man sich auf mehrere Weisen nähern: als russischer Mythos eines Frühlingsopfers oder man kann die Musik als Revolution verstehen, als Ausdruck von Veränderungen, etwa im Lebenszyklus von Winter, Frühling, Sommer, Herbst.“

Geht es in der Fassung von Marcos Morau mehr um den Gedanken des Opferns oder mehr um das Hervorbrechen des Frühlings?

„Das ist schwierig zu beantworten. Ich will nicht – wie im Mythos des Frühlingsopfers - einen Menschen opfern, also etwa eine Frau töten lassen. Mir geht es um eine zerstörte Gesellschaft, die in einer völligen Leere, im Nichts lebt. Es gibt noch einige Überlebende. In dieser Gesellschaft versucht jeder, jeden umzubringen. Dem entziehen kann sich nur, wer sich von einer Klippe stürzt und sich selbst tötet. Eine einzige Frau entscheidet sich zu überleben. Es gibt also nicht ein Opfer, sondern viele Opfer und nur eine Überlebende. Aber es gibt vielleicht noch Hoffnung. Es ist großartig, dass ich als Künstler eine Liebesbeziehung zur Gegenwart habe. Pina Bausch und andere ChoreographInnen, die sich mit „Le sacre“ befasst haben, haben das aus ihrer Zeit heraus getan. Ich muss mich mit der Situation befassen, in der wir jetzt leben. Ich versuche dabei, mein Leben in meine Kunst zu übersetzen.“

Nach der Arbeitsprobe und dem Gespräch gab es noch einen Umtrunk im Foyer des Balletthauses und wer wollte, konnte sich mit Marcos Morau und einigen Mitgliedern der Compagnie unterhalten.

Der dreitteilige Ballettabend „Sacre“ zeigt noch die Stücke „The cage“ von Jerome Robbins von 1951 und die Uraufführung „The thing with feathers“ von Demis Volpi.

Premiere ist am 29. April im Opernhaus in Düsseldorf.

Weitere Aufführungen finden statt am 30. April, 19., 21. und 28. Mai.

Weitere Informationen unter operamrhein.de/spielplan/a-z/sacre
Text und Textbearbeitung: Axel Weiss; Fotos: Renate Weber-Zangrandi, Oliver Königsfeld