Warum aus einer Compagnie sechs geworden sind

Ballett in Zeiten von Corona

Nur durch ein ausgefeiltes Hygienekonzept ist es möglich, die Compagnie trainieren, proben und auftreten zu lassen. Und so ergibt sich die eigentlich absurde Situation, dass der zutiefst bürokratisch gestaltete Arbeitsschutz direkten Einfluss hat auf die kreative Arbeit von Choreographen und die Gestaltung des Ballettprogramms. Denn der Schutz der Gesundheit der Compagniemitglieder hat absoluten Vorrang. Darüber wacht ein Arbeitssicherheitsausschuss, in dem Vertreter des Betriebsrates, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die Personalabteilung und Opernleitung sowie der Betriebsdirektor des Ballett am Rhein vertreten sind.

Um mehr über die konkreten Abläufe beim Training, den Proben und den Aufführungen zu erfahren, haben wir mit Oliver Königsfeld gesprochen, der als Betriebsdirektor das Konzept wesentlich mitgestaltet hat. Zusammen mit Alban Pinet als Probendisponent hat er dafür zu sorgen, dass die Abläufe im Balletthaus auf der einen Seite allen Hygienevorschriften entsprechen, auf der anderen Seite aber die kreative Arbeit wieder möglich ist.

Grundlage des Konzepts ist ein Papier zum Arbeitsschutz in Corona-Zeiten der zuständigen Verwaltungsberufsgenossenschaft, nach dem sich alle Theater im Proben- und Darstellungsbereich richten müssen.

Das Papier sieht etwa vor, dass „agierende Personen, die bewegungsintensiv, tanzend, exzessiv sprechend oder singend eine Rolle proben oder darstellen, einen Abstand zu anderen Personen von mindestens 6 m einzuhalten haben“. Zusätzlich soll pro Person eine Grundfläche von 20qm zur Verfügung stehen.

Das bedeutet, dass zwischen den Tänzern dieser Abstand ebenso einzuhalten ist wie zur Ballettmeisterin oder zum Ballettrepetitor. Körperlicher Kontakt ist untersagt. Bei einer Compagnie mit über 40 Tänzerinnen und Tänzern lässt sich das gewohnte gemeinsame Training selbst unter den optimalen Bedingungen im Studio 1 des Balletthauses nicht durchführen. Es wurden daher sechs voneinander getrennte Klein-Compagnien gebildet, die jeweils bis zu acht Tänzer*innen umfassen und mit einer Ballettmeisterin und einem Ballettrepetitor trainieren und proben.

Diese Aufteilung spiegelt sich auch im Programm „A first date“, mit dem sich Demis Volpi dem Düsseldorfer Publikum derzeit präsentiert. An jedem der drei Episoden-Tage stellen sich zwei Klein-Compagnien vor.

Wie hat man sich nun den Tagesablauf im Balletthaus vorzustellen?

Damit gewährleistet ist, dass die verschiedenen Klein-Compagnien keinerlei Kontakt miteinander haben, wurde der Probenbetrieb auf einen Zeitraum von morgen 9:30 Uhr bis abends 21:30 Uhr ausgeweitet. Das aber bedeutet auch, dass die jeweiligen „Schichten“ wechseln müssen, damit nicht ein Teil der Compagnie stets morgens und ein anderer Teil stets abends trainiert und probt. Eine wahre Puzzlearbeit also für den Probendisponenten.

Jede der sechs Gruppe hat täglich ein Training von 1 ¼ Stunde zu absolvieren und – nach einer Pause – stehen drei Stunden Probenarbeit auf dem Programm. Die erste Gruppe beginnt um 9:30 Uhr mit dem Training. Die Mitglieder müssen in einem vorgegebenen Zeitfenster eine der neu geschaffenen acht Garderoben aufsuchen. Bis zum Betreten des Studios müssen Mund-Nasen-Masken getragen werden.

Die zweite Gruppe beginnt um 10 Uhr mit dem Training, sodass es auch in den Garderoben nicht zu einem Kontakt kommen kann. Die dritte Gruppe erscheint wieder entsprechend zeitversetzt. Die Studios selbst müssen nach jedem Training gereinigt und gelüftet werden, bevor die nächste Gruppe dort trainieren darf.

Inzwischen konnten die ersten, sehr strengen Regelungen etwas gelockert werden: Die Duschen dürfen wieder genutzt werden und auch der Aufenthaltsbereich und die Küche sind für die Tänzerinnen und Tänzer wieder zugänglich. Die üblichen Abstands- und Hygieneregeln gelten aber auch hier.

Bis kurz vor der Premiere von „A first date“ am 11. September galt für die Proben- und die Bühnenarbeit die Regelung, dass die Tänzer voneinander sechs Meter Abstand halten müssen. Inzwischen darf dieser Abstand auf drei Meter reduziert werden, wenn gewährleistet ist, dass die Raumluft eine maximale CO2-Konzentration von 800 ppm nicht übersteigt. Aus diesem Grund werden sowohl in den Studios im Balletthaus als auch auf den Bühnen in Düsseldorf und Duisburg regelmäßig die CO2-Werte gemessen. Sie liegen glücklicherweise weit unter der Höchstgrenze, so dass schon das Premierenpublikum eine weniger auf Distanz tanzende Compagnie genießen konnte. Pas-de-deux sind jedoch weiterhin nur erlaubt, wenn die Tänzer miteinander in einem Haushalt leben. Immerhin gibt es in der Compagnie drei Paare, so dass auf Körperkontakt im Programm nicht verzichtet werden musste und er auch sehr intensiv zu sehen ist.

Zwischen den beiden Teilen eines Episodenabends von „A first date“ muss die Bühne gereinigt werden. Um diese Zeit zu überbrücken – das Publikum darf den Zuschauerraum nicht für eine Pause verlassen – wird eine jeweils 15minütige Dokumentation der Filmemacherin Daisy Long gezeigt, in der die Tänzerinnen und Tänzer der neuen Compagnie vorgestellt werden. Die Dokumentationen wurden finanziell von den Ballettfreunden gesponsert.

Die notwendige Aufsplittung der neuen Volpi-Compagnie in sechs Klein-Compagnien hat zur Folge, dass die alten und neuen Mitglieder noch nicht alle gemeinsam haben arbeiten dürfen. Die Compagnie muss sich als Einheit also noch finden können. Nun bestehen aber – jedenfalls zwischen den alten Mitgliedern – durchaus freundschaftliche Beziehungen, die über die Arbeit hinausgehen. Lässt sich da ein privater Kontakt verhindern?

Oliver Königsfeld: „Es gibt keine Regelungen dafür. Wir hoffen, dass die Tänzer verantwortungsbewusst sind und vernünftig mit der Situation umgehen. Wir können nicht beeinflussen, was außerhalb des Betriebsgeländes geschieht. Da bleiben nur die Appelle an die Vernunft.“

Text: Axel Weiss, Fotos: Daniel Senzek